(entstanden Ende 2009)
Geburt, Krankenhaus – Beginn eines neuen Lebens, eines selbstständigen Wesens am Anfang seines Weges, jedoch zunächst ohne die Möglichkeit, ihn auf eigenen Füßen zu beschreiten. Aus diesem Grund beginnt jede*r von uns seinen Weg, sein Leben, zunächst per Anhalter zurückzulegen, auf der Einbahnstraße der elterlichen Erziehung. Doch bald lernen wir unsere ersten eigenen Schritte zu gehen und erkennen, dass sich auf einmal Weggabelungen, -kreuzungen, jedoch auch Stoppschilder und Sackgassen auftun. Schon früh wird uns klar, dass die persönliche Landkarte unseres Lebens, die wir mit jedem neuen Weg erweitern, an jeder nicht genommenen Abbiegung dunkel und unlesbar bleibt, und wir oft für lange Zeit im Kreisverkehr verweilen oder im Stau stecken bleiben.
Umso weiter unsere Wege und je größer unsere Landkarte des Lebens wird, desto häufiger fragen wir uns nach der idealen Richtung, dem Ziel unseres Weges. Doch so sehr wir auch suchen in jede Richtung, jede verwinkelte Gasse, die wir entdecken, und je weiter wir unsere Wege zurückverfolgen und alte Kreuzungen und Sackgassen wiederfinden, stellen wir doch fest, dass wir nicht über den Rand unserer Landkarte hinaus in die Zukunft sehen können. Wir können nie sicher sein, was uns hinter der nächsten Kurve, der nächsten grünen Ampel in eine unbekannte Richtung erwarten wird. Uns wird auch bewusst, dass, solange wir uns in unseren Garagen verstecken und auf Parkplätzen verweilen, wir nie völlig zur Ruhe und an ein Ziel kommen werden. Wie Fahrzeuge müssen wir immer wieder die Tankstellen unseres Lebens aufsuchen, damit unser Motor nicht ausgeht. Wir müssen unser Herz beständig mit Liebe, Freundschaft, Zuwendung, Fürsorge, kurz gesagt mit Leben füllen, um nicht frühzeitig mitten auf unserem Weg hilflos liegen zu bleiben.
Doch haben wir im Lauf unseres Lebens schon viele Wege zurückgelegt und wissen, dass – egal, wohin wir fahren – es immer Lebenstankstellen am Straßenrand gibt und dass, umso weiter unsere Landkarte reicht, wir mehr und mehr Leben finden. Und schließlich, da wir das Ziel unserer Wege nie ganz kennen und auf den bereits zurückgelegten Wegen nicht finden konnten, erkennen wir, dass die einzige Möglichkeit, das Ziel unserer Wege zu finden, darin besteht, es weiter zu suchen – auf neuen Wegen, in verschiedensten Richtungen, alleine oder in Gemeinschaft, jedoch stets beherzt auf der Vorfahrtsstraße mit Parkverbot.
© Tobias Zapf-Hauenstein